Die Frage ob Menschen, die aufgrund mangelnder geistigen Fähigkeiten keine Möglichkeit zum Glauben haben, dennoch gerettet sind, kommt immer wieder auf. Dabei ist sie vor allem für gläubige Eltern entscheidend, deren Kinder entweder früh gestorben sind oder an einer geistigen Behinderung leiden. Diesen Eltern brennt verständlicherweise die Frage unter den Nägeln, ob ihre Kinder gerettet sind oder nicht. Da uns die Schrift diese Frage nicht explizit beantwortet, müssen wir hier mit biblischen Prinzipien arbeiten, die uns helfen können zu einer zufriedenstellenden Antwort auf diese Frage zu kommen. Das wollen wir im Folgenden tun und diese Frage im Licht unterschiedlicher biblischer Texte untersuchen.
Gott ist ein Retter-Gott
Bevor wir uns mit der eigentlichen Frage bezüglich der Errettung von Unmündigen auseinandersetzen, wollen wir uns zuerst Gottes Wesen hinsichtlich Erlösung anschauen. Gott ist nämlich von Natur aus ein Retter-Gott, der sich Sündern erbarmt und sie gerne mit sich versöhnt. Wir sehen das beispielsweise in 1. Timotheus 4:
Das Wort ist gewiss und aller Annahme wert; denn dafür arbeiten und kämpfen wir, weil wir auf einen lebendigen Gott hoffen, der ein Retter aller Menschen ist, besonders der Gläubigen.
1. Timotheus 4,9-10
In diesen Versen wird Gott als ein Retter aller Menschen bezeichnet. Auch wenn er das für die meisten tatsächlich nur in einem zeitlichen, begrenzten Sinne ist (er hält sein Gericht über ihre Sünde zurück und erweist ihnen allgemeine Gnade), begegnet er ihnen doch grundsätzlich mit Güte. Sein rettender Charakter zeigt sich auch darin, dass er kein Gefallen am Tod von Sündern hat (Hes. 33,11; 18,23). Wir sehen diesen Charakterzug auch bei Kleinkindern und Säuglingen. Gott sagt zu Jona über die Kleinsten:
Und ich, ich sollte nicht betrübt sein wegen der großen Stadt Ninive, in der mehr als 120 000 Menschen sind, die nicht unterscheiden können zwischen ihrer Rechten und ihrer Linken, und eine Menge Vieh?
Jona 4,11
Als Gott die große Stadt Ninive zur Buße ruft, um sie zu verschonen, erinnert er Jona daran, dass er ein gnädiger Gott ist, der sich insbesondere der Kleinen erbarmt, die noch nicht in der Lage sind zwischen Rechts und Links, geschweige denn zwischen Gut und Böse zu unterscheiden. Gottes Erbarmen gilt also vor allem denen, die weder richtig von falsch unterscheiden noch die Wahrheit über ihre eigene Sündhaftigkeit verstehen können.
Alle werden als Sünder geboren
Da Babys und Kleinkindern diese wichtige Erkenntnis über ihre gefallene Natur fehlt, behaupten einige, dass sie vor Gott unschuldig sind. Jedoch macht die Schrift klar, dass die Erbsünde zu allen Menschen durchgedrungen ist und sie somit nicht nur ein Hang zur Sünde, sondern auch eine sündhafte Stellung vor Gott haben. Das heißt, dass alle Menschen mit einer sündhaften Natur geboren werden und deshalb auch vor Gott schuldig sind. Wir sehen diese Wahrheit in den Psalmen Davids bestätigt.
Siehe, in Schuld bin ich geboren, und in Sünde hat mich meine Mutter empfangen.
Psalm 51,7
Abgewichen sind die Gottlosen von Mutterschoß an, es irren vom Mutterleib an die Lügenredner.
Psalm 58,4
David erklärt in diesen Versen, dass alle Menschen vom Augenblick der Empfängnis an eine sündige Natur haben, die sich von Kindheit an in bösen Taten manifestiert. Diese sündige Natur hat der Mensch von Adam geerbt, dessen Fall im Garten Eden die gesamte Menschheit mit in die Sünde riss und auch schon die Kleinsten betrifft (Röm. 5,12-19).
Babys haben keine Möglichkeit zur Sündenerkenntnis und zur Buße
Auch wenn Kleinkinder und Säuglinge eine sündige Natur haben, fehlen ihnen doch die geistigen Fähigkeiten diese Sündhaftigkeit bewusst auszuleben. Das heißt, sie sind nicht in der Lage bewusst und willentlich gegen ihren Schöpfer zu rebellieren. Des Weiteren haben sie keine Möglichkeit Gottes Offenbarung in der Natur bewusst wahrzunehmen und so die Wahrheit, die er über sich in der Natur zeigt zu unterdrücken.
Denn es wird offenbart Gottes Zorn vom Himmel her über alle Gottlosigkeit und Ungerechtigkeit der Menschen, welche die Wahrheit durch Ungerechtigkeit niederhalten, weil das von Gott Erkennbare unter ihnen offenbar ist, denn Gott hat es ihnen offenbart. Denn sein unsichtbares ⟨Wesen⟩, sowohl seine ewige Kraft als auch seine Göttlichkeit, wird seit Erschaffung der Welt in dem Gemachten wahrgenommen und geschaut, damit sie ohne Entschuldigung sind; weil sie Gott kannten, ihn aber weder als Gott verherrlichten noch ihm Dank darbrachten, sondern in ihren Überlegungen auf Nichtiges verfielen und ihr unverständiges Herz verfinstert wurde.
Römer 1,18-21
Paulus erklärt in diesen Versen, dass der Zorn Gottes auf alle kommt, die die Offenbarung seines Wesens in der Natur bewusst ablehnen und anstelle dessen den Lügen Satans glauben. Da kleine Kinder nicht in der Lage sind, das was Gott über sich offenbart hat bewusst anzunehmen, trifft sie auch Gottes Zorn nicht.
Diesen Grundsatz der Verantwortlichkeit durch Erkennen der Wahrheit finden wir auch in Johannes 9 wieder. Nachdem Jesus einen Blindgeborenen geheilt und ihm auch das geistliche Augenlicht geschenkt hat, sodass er ihn als den Messias erkennen darf (Joh. 9,35-38), fragen ihn die Pharisäer: „Sind denn auch wir blind?“ (Joh. 9,40). Daraufhin antwortet ihnen Jesus und sagt:
Wenn ihr blind wäret, so hättet ihr keine Sünde. Nun aber sagt ihr: Wir sehen. ⟨Daher⟩ bleibt eure Sünde.
Johannes 9,41
Mit dieser Aussage macht Jesus deutlich, dass Gott sie nicht zur Rechenschaft ziehen würde, wenn sie keinen Zugang zu Gottes Offenbarung der Wahrheit hätten. Da sie jedoch diesen Zugang haben und sich daher für sehend halten, obwohl sie in Wirklichkeit blind sind und ihn nicht erkennen, bleibt ihre Sünde auf ihnen.
Das wirft natürlich die Frage auf, ab wann ein Kind in der Lage ist, die Offenbarung Gottes in der Natur wahrzunehmen? Ab wann es also vor Gott verantwortlich ist? Einige versuchen, diese Frage zu lösen, indem sie ein bestimmtes Alter festlegen, in dem jedes Kind rechenschaftspflichtig wird. Eine solche Festlegung ist allerdings nicht ganz ohne Schwierigkeiten, da sie sehr stark vom Entwicklungsgrad des einzelnen Kindes abhängt. Besser ist es daher von einem Zustand der Verantwortlichkeit zu reden, in den jedes Kind in einem unterschiedlichen Alter eintritt. Kinder, die dieses Alter oder diesen Zustand aufgrund ihrer Behinderung nicht erreichen, gehen mit dem Tod sofort in die Gegenwart Gottes.
Jesus segnet die kleinen Kinder
Auch Jesus spricht den Kindern das Reich Gottes zu und segnet sie. Wir sehen das in Markus 10, einem Abschnitt, der über die Voraussetzungen für den Eintritt in das Reich Gottes spricht.
Und sie brachten Kinder zu ihm, damit er sie anrührte. Die Jünger aber fuhren sie an. Als aber Jesus es sah, wurde er unwillig und sprach zu ihnen: Lasst die Kinder zu mir kommen! Wehrt ihnen nicht! Denn solchen gehört das Reich Gottes. Wahrlich, ich sage euch: Wer das Reich Gottes nicht annimmt wie ein Kind, wird dort nicht hineinkommen. Und er nahm sie in seine Arme, legte die Hände auf sie und segnete sie.
Markus 10,13-16
In diesem Abschnitt lässt Jesus die kleinen Kinder zu sich bringen, da ihnen “das Reich Gottes gehört”. Der Parallelbericht in Lukas 18 macht deutlich, dass es sich hier um Kleinkinder und Säuglinge handelt, die zu Jesus gebracht werden (Luk. 18,15 verwendet das griechische Wort brephos, das Kinder von bis zu 4 Jahren beschreibt). Dass es sich hier um Babys und kleine Kinder handelt verdeutlich auch die Tatsache, dass sie von ihren Eltern gebracht werden müssen, weil sie noch nicht selbstständig kommen können. Da diese Kinder komplett hilflos und abhängig von ihrem Schöpfer sind, vergleicht Jesus sie mit wiedergeborenen Menschen, die ihre geistliche Unfähigkeit erkannt haben und in völliger Abhängigkeit zum Sohn leben. Kinder erfüllen also schon die Voraussetzungen, um Teilhaber am Reich Gottes zu sein und sind deshalb auch errettet. Dabei macht Jesus keinen Unterschied, ob die Eltern der Kinder gläubig oder ungläubig sind (entgegen der Ausleger, die nur Kinder gläubiger Eltern als gerettet ansehen). Er empfängt alle Kinder und spricht allen gleichermaßen den Segen Gottes zu.
Babys werden durch Jesu Werk am Kreuz gerettet
Hier stellt sich natürlich die Frage, auf welchem Weg Gott die Kinder rettet. Die Schrift macht klar, dass Jesu Erlösungswerk die einzige Grundlage ist, auf der sündige Menschen gerettet werden können (Joh. 14,6). Errettung erfordert also immer Christi Blut. Auf dieser Grundlage hat Gott auch Kinder und Menschen mit geistiger Behinderung erwählt, die niemals den Zustand der Verantwortlichkeit erreichen, und ihnen das Heil in Christus geschenkt.
Wir sehen also, dass Gottes Gnade auch die Kleinsten miteinbezieht und wir Hoffnung haben dürfen, sie eines Tages beim Herrn wiederzusehen. Diese Hoffnung tröstete auch König David, nachdem er mit Batseba Ehebruch begangen hatte und zur Strafe seinen Sohn verlor. Als seine Diener ihn verwundert fragten, warum er sich nach seiner langen Trauer und seinem Fasten über die Krankheit seines Sohnes nach dessen Tod plötzlich reinigt, die Kleider wechselt, zum Haus des Herrn geht und nach Nahrung verlangt, antwortet er ihnen folgendes:
Als das Kind noch lebte, habe ich gefastet und geweint, weil ich ⟨mir⟩ sagte: Wer weiß, ⟨vielleicht⟩ wird der HERR mir gnädig sein, und das Kind bleibt am Leben. Jetzt aber, da es tot ist, wozu sollte ich denn fasten? Kann ich es ⟨etwa⟩ noch zurückbringen? Ich gehe ⟨einmal⟩ zu ihm, aber es wird nicht zu mir zurückkehren.
2. Samuel 12,22-23
David drückt in diesen Versen seine Hoffnung aus, seinen kleinen Sohn in der Ewigkeit wiedersehen zu dürfen. Er wusste, dass er selbst nach dem Tod zu Gott gehen (Ps. 23,6) und dass sein Sohn dort auf ihn warten würde. Ganz anders sieht seine Reaktion auf den Tod seines rebellischen Sohnes Absalom aus. Er sagt voll Klage und Leid über ihn:
Mein Sohn Absalom! Mein Sohn, mein Sohn Absalom! Wäre ich doch an deiner Stelle gestorben! Absalom, mein Sohn, mein Sohn!
2. Samuel 19,1
Als Absalom starb, hörte David nicht auf zu trauern, sondern begann seinen Sohn mit unverminderter Intensität zu beklagen. Der Unterschied zwischen dem Tod seines jungen Sohnes mit Batseba und dem seines erwachsenen Sohnes Absalom war, dass er keine Hoffnung hatte, den gottlosen Absalom jemals wiederzusehen. Denn während der eine in die himmlische Gegenwart Gottes ging, war der andere in der ewigen Gottesferne verloren.
Zusammenfassend ist zu sagen, dass auch wenn die Schrift keine direkte Aussage über den Verbleib von Unmündigen nach dem Tod macht, sie doch schlussfolgern lässt, dass sie zum Herrn gehen. Obwohl der Tod eines jeden Kindes eine menschliche Tragödie ist, bedeutet er letztlich für das Kind selbst den Gewinn des ewigen Lebens. Es ist also in Gottes Armen absolut sicher und darf bei Ihm in ewiger Glückseligkeit ruhen. All dies ist nur möglich, weil Jesus in seiner Gnade auch die Kleinsten zu sich gerufen und sein Leben für sie am Kreuz hingegeben hat. Ihm sei der Dank für dieses wunderbare Geschenk seiner Gnade!