Der Prophet Jesaja wird auch als der Evangelist unter den Propheten bezeichnet, weil er das Evangelium in sehr klaren Prophetien bildhaft vermittelt. Auch Jesaja 52 enthält eine bildliche Beschreibung der großen Rettungstat Gottes, durch die er sein Volk aus der Knechtschaft und Sklaverei herausführt. Diese großartige Heilsbotschaft ist heute notwendiger denn je, weil gerade auch in Gemeinden viele Nachrichten als Evangelium durchgehen, die gar kein echtes Evangelium sind. So sind zum Beispiel bloße Appelle oder Ermahnungen ein anderes Leben zu führen, nicht das biblische Evangelium. Eine Lebensveränderung ist die Frucht des Evangeliums, aber nicht der Kern der Botschaft, durch die wir letztlich gerettet werden. Stattdessen raubt eine solche reduzierte Botschaft dem echten Evangelium das Staunen und die Verwunderung über Gottes Gnade in Christus mit hoffnungslos, verlorenen Sündern. Das wahre Evangelium dagegen versetzt seine Empfänger immer auch in Staunen über Gottes überreiche Gnade und Barmherzigkeit, durch die er uns mittels des Werkes Jesu neues Leben schenkt. Diese Rettung wird uns auch vom Propheten Jesaja im 52. Kapitel seines Buches eindrucksvoll vor Augen geführt.
Der Kontext dieses Kapitels ist das babylonische Exil der Juden. Jesaja prophezeit hier über die bevorstehende Gefangenschaft Judas in Babylon aufgrund seiner Abkehr vom Herrn. Da das Volk alle Warnungen und Aufrufe zur Buße über Jahrhunderte hinweg ignorierte, stand nun das drohende Gericht durch die babylonische Invasion unmittelbar bevor: 586 v. Chr. würde König Nebukadnezzar Jerusalem erobern und die Juden in mehreren Wellen nach Babylon verschleppen, wo sie als Sklaven dienen mussten. In dieser hoffnungslosen Lage spricht Gott zu dem Propheten Jesaja und offenbart ihm, dass er sein Volk retten und es aus der Gefangenschaft herausführen wird. Obwohl ihr Exil selbst verschuldet ist, wird er sie aus der Knechtschaft befreien und sie in ihr Land zurückführen. Diese überraschende Rettungsbotschaft veranlasst Jesaja zu den folgenden Aussagen:
Wach auf, wach auf! Kleide dich, Zion, in deine Kraft! Kleide dich in deine Prachtgewänder, Jerusalem, du heilige Stadt! Denn nicht mehr länger soll dich ein Unbeschnittener und ein Unreiner betreten. Schüttle den Staub von dir ab! Steh auf, setz dich hin, Jerusalem! Mach dich los von den Fesseln deines Halses, du gefangene Tochter Zion!
Jesaja 52,1-2
Der Prophet Jesaja bedient sich in diesem Kapitel eines Bildes und vergleicht die geistliche Situation seines Volkes mit einer belagerten Stadt, die kurz vor der Einnahme steht. Die Stadt Gottes, Zion, ist von seinen Feinden umzingelt und hat keine Möglichkeit mehr, sich selbst zu befreien oder einen Ausfall zu machen. Stattdessen neigen sich ihre Vorräte dem Ende und die Lage ihrer Bewohner wird immer verzweifelter: Sie sehen das Ende kommen und ihre letzte Hoffnung ist, dass jemand von außerhalb der Stadt eingreift und sie rettet. Dabei geschah ihre Festsetzung völlig umsonst und ohne Zahlung einer Entschädigung an ihren König. Für umsonst kamen sie in Gefangenschaft und ohne Geld würde sie ihr Herr wieder freikaufen:
Denn so spricht der HERR: Umsonst seid ihr verkauft worden, und nicht für Geld sollt ihr gelöst werden. Denn so spricht der Herr, HERR: Nach Ägypten zog mein Volk im Anfang hinab, um sich dort als Fremder aufzuhalten; und Assur hat es am Ende bedrückt. Aber nun, was habe ich hier ⟨zu schaffen⟩?, spricht der HERR. Denn mein Volk ist umsonst weggenommen worden. Seine Beherrscher höhnen, spricht der HERR, und ständig, den ganzen Tag, wird mein Name gelästert. Darum wird mein Volk meinen Namen erkennen, darum an jenem Tag ⟨erkennen⟩, dass ich es bin, der da spricht: Hier bin ich!
Jesaja 52,3-6
In diesen Versen spielt Jesaja auf die drei großen Unterjochungen Israels im Alten Testament an. Dort lesen wir, dass Israel zu Beginn seiner Geschichte nach Ägypten hinab zog und dort ohne Grund von den Ägyptern und dem Pharao versklavt wurde. Die zweite große Unterwerfung geschah im Jahr 722 v. Chr. Damals wurde das Nordreich Israel von den Assyrern erobert und ins Exil geführt. Die dritte Unterjochung stand für das Südreich Juda, durch Babylon zu Jesajas Lebzeiten erst noch bevor. Obwohl sich das Nordreich Israel zu diesem Zeitpunkt bereits in Gefangenschaft befand, lernte das Südreich Juda nicht aus seinen Fehlern und praktizierte weiterhin Götzendienst, so dass das kommende Gericht über ganz Israel unvermeidlich wurde.
Da Israel in diesem Kapitel symbolisch die Gemeinde vorschattet, kann seine Situation mit dem geistlichen Zustand eines jeden Gläubigen vor seiner Bekehrung verglichen werden. Die Bibel erklärt uns nämlich, dass der Mensch von Natur aus ein Sklave der Sünde und Handlanger des Satans ist. Tatsächlich hat der Mensch im Garten Eden das Wertvollste, was er besitzt, seine Seele, verkauft und sich damit selbst in die Sklaverei des Teufels begeben (siehe Jes. 52,3). Der Grund für diesen drastischen Fall des Menschen war, dass er den Lügen des Satans glaubte und die Ebenbildlichkeit Gottes, in der er geschaffen wurde, gering schätzte und sie für die Möglichkeit verkaufte, wie Gott zu sein. Folglich beschloss er in seinem Hochmut, seinen Stand als Geschöpf nach dem Bilde Gottes zu verlassen und stattdessen eine Gleichstellung mit seinem Schöpfer anzustreben. Damit fiel er jedoch auf die Lügen Satans herein und fiel unter die Sünde, sodass er zum Sklaven seiner sündigen Begierden und Regungen wurde (vgl. Jak. 1,13-15). Dieser Zustand der geistlichen Unfreiheit und des Zwanges unter der Herrschaft des Teufels sündigen zu müssen, hält für den natürlichen Menschen bis heute an und zwingt ihn, das angebotene Heil und die Errettung in Jesus abzulehnen. Der Mensch ist also nicht frei, wie er selbst meint, sondern ein Gefangener seiner Sündhaftigkeit und, bildlich gesprochen, ein Bewohner dieser von Feinden umzingelten Stadt aus Jesaja 52. Und in diese belagerte Stadt dringt nun die frohe Botschaft, das Evangeliums der Rettung Gottes ein:
Wie schön sind auf den Bergen die Füße dessen, der ⟨frohe⟩ Botschaft bringt, der Frieden verkündet, der gute Botschaft bringt, der Rettung verkündet, der zu Zion spricht: Dein Gott herrscht als König! Horch! Deine Wächter erheben die Stimme, sie jubeln allesamt. Denn Auge in Auge sehen sie, wie der HERR nach Zion zurückkehrt. Brecht ⟨in Jubel⟩ aus, jubelt allesamt, ihr Trümmerstätten Jerusalems! Denn der HERR hat sein Volk getröstet, hat Jerusalem erlöst! Der HERR hat seinen heiligen Arm entblößt vor den Augen aller Nationen, und alle Enden der Erde sehen die Rettung unseres Gottes.
Jesaja 52,7-10
Jesaja malt uns in diesen Versen das Bild eines Boten vor Augen, der von den Wächtern der Stadt am Horizont entdeckt wird und nach Zion eilt, um zu verkünden: „Friede! Die Rettung ist da! Dein Gott regiert als König und hat dich erlöst!“ Diese Nachricht wird in der Stadt mit einem solchen Jubel aufgenommen, dass sogar die schmutzigen Füße des Boten als angenehm und schön empfunden werden. Die Nachricht von der lang ersehnten Rettung löst bei den Bewohnern unbändige Freude aus und lässt sie jubelnd einstimmen: „Der Herr selbst hat sein Volk getröstet und erlöst“ (Jes. 52,9). Dabei enthält die Rettungsbotschaft Gottes eine dreifache Message an sein Volk.
1. Friede!
Der Herr hat seinem Volk Frieden gebracht. Dazu ist er in diese Welt gekommen und hat den Zorn Gottes auf die Sünde, die uns von ihm trennte, durch seinen Tod auf sich genommen. Damit hat er den Grund für Gottes Feindseligkeit gegenüber uns beseitigt und uns mit ihm versöhnt:
Da wir nun gerechtfertigt worden sind aus Glauben, so haben wir Frieden mit Gott durch unseren Herrn Jesus Christus
Römer 5,1
2. Erlösung
Darüber hinaus hat er für unsere Schuld am Kreuz bezahlt und uns damit erlöst. So wie der Mensch sich durch die Sünde im Garten Eden umsonst in die Sklaverei verkauft hat, hat uns Jesus durch sein teures Blut aus der Sklaverei losgekauft (siehe Jes. 52,3b). Er hat uns aus der Knechtschaft der Sünde geholt und uns von dem Fluch befreit, das Gesetz erfüllen zu müssen. Der Preis dafür war sein eigenes Blut, das er auf Golgatha für uns vergossen und an den Vater bezahlt hat.
Denn ihr wisst, dass ihr nicht mit vergänglichen Dingen, mit Silber oder Gold, erlöst worden seid von eurem eitlen, von den Vätern überlieferten Wandel, sondern mit dem kostbaren Blut Christi als eines Lammes ohne Fehler und ohne Flecken.
1. Petrus 1,18-19
3. Dein Gott herrscht
Die Ehre für diese Erlösung gebührt Gott allein. Deshalb ist Jesus, nachdem er die Feinde seines Volkes besiegt und die Erlösung vollbracht hat, zum Vater zurückgekehrt, um dort seine Herrschaft anzutreten und im Himmel die Anbetung dafür zu empfangen. Dort tritt er nun auch jetzt für die Seinen ein und sorgt dafür, dass sie im Glauben an ihn bewahrt bleiben.
Der HERR ist König! Es zittern die Völker. Er thront auf den Cherubim. Es wankt die Erde. Groß ist der HERR in Zion, und hoch ist er über alle Völker.
Psalm 99,1-2
Wir sehen also, dass wenn das wahre Evangelium in das Leben eines Kindes Gottes tritt, es wie eine Rettungsbotschaft in eine belagerte Stadt kommt: Einerseits zeigt es ihm seine geistliche Not und Gefangenschaft, andererseits aber auch seine Rettung in Jesus Christus, der den Preis für ihn bezahlt hat. Damit hat er den Weg zum Vater freigemacht und uns Versöhnung mit ihm geschenkt.
Aus diesem Grund darf auch jetzt jeder zu ihm kommen wie er ist. Da der Mensch von Natur aus versklavt und verkauft ist und nichts zu bringen hat, wird auch nichts von ihm verlangt. Das bezeugt auch Jonathan Edwards, der bekannte Evangelist und Prediger im Amerika des 18 Jahrhunderts:
Du trägst nichts zu deiner Rettung bei, außer der Sünde, die sie notwendig gemacht hat.
Jonathan Edwards
Dementsprechend dürfen wir mit all unserer Sünde, Depression, Hoffnungslosigkeit und unserem begrenzten Verständnis durch Jesus zu Gott kommen und werden von ihm auf Grundlage des Blutes Christi angenommen. Er hat ja bereits das Lösegeld für unsere Schuld am Kreuz bezahlt und uns durch sein Werk erkauft. Ihm gebührt die Ehre für diese große Rettungstat durch die er uns die Sühnung geschenkt und uns die Freiheit erkauft hat!