Auch heutzutage ist die Bibel für viele Menschen noch immer ein maßgebendes und wichtiges Buch. Sie suchen in ihr Antworten auf die unterschiedlichsten Lebensfragen und Situationen. Dabei ist ein korrektes Verständnis der heiligen Schrift zentral und entscheidend für das Leben eines jeden Menschen. Jedoch bleibt die Bibel für die meisten, Gläubige miteingeschlossen, oft ein Buch, dessen Inhalt nur wenig Bedeutung und Anwendung im Alltag findet. Obwohl viele Christen immer wieder die Wichtigkeit der Bibel unterstreichen, vernachlässigen sie oft Gottes Wort und lesen es kaum. Der Grund dafür liegt häufig in einem falschen Verständnis der Schrift, das ihre Adressaten in eine moralische Lesart und schlussendlich in die Werksgerechtigkeit treibt.
Auch wenn einige meinen, dass ein so klares Missverständnis der Schrift heutzutage nur in bestimmten christlichen Kreisen vorherrscht, ist dieses Phänomen doch nicht neu und besteht schon seit der Aufzeichnung der Bibel. Schon Jesus selbst tadelte die Sadduzäer, eine der einflussreichsten, religiösen Gruppierungen innerhalb des Judentums, mit den Worten:
Ihr irrt, weil ihr weder die Schriften noch die Kraft Gottes kennt.
Matthäus 22,29
Nun waren die Sadduzäer, die wichtigsten jüdischen Schriftgelehrten zur Zeit Jesu und kannten das Alte Testament oftmals auswendig. Ein Mangel an Bibelkenntnis konnte man ihnen deshalb kaum vorwerfen. Was Jesus ihnen hier allerdings vorwarf ist, dass sie die Schriften nicht verstanden und somit auch nicht die Kraft Gottes kannten, die in ihnen lag. Um an dieser Stelle das Problem der Sadduzäer besser begreifen und es selbst vermeiden zu können, müssen wir verstehen, wie sie die Schrift lasen.
Wie verstanden die Sadduzäer die Bibel?
Die Sadduzäer verstanden die Bibel als eine Art Anleitung für ein von Gott gesegnetes und erfolgreiches Leben. Um sicherzugehen, dass Gott ihnen seinen Segen schenken würde, versuchten sie alle Lebensentscheidungen auf Grundlage der Bibel zu treffen. So befragten sie beispielsweise das Wort Gottes was sie verzehnten sollten oder wie sie ihre Opfer im Tempel darbringen durften. Was erstmal als gut und richtig erscheint, war jedoch nicht angenehm vor Gott. Das Problem dabei war, dass ihr Gottesdienst aus einer falschen Herzenshaltung heraus geschah. Sie wollten zwar den Segen Gottes, aber Gott und sein Wesen lehnten sie ab. Anstelle, dass sie erkannten, dass Gottes Charakter einen perfekten Gehorsam verlangt und sie seine vollkommene Gerechtigkeit nur durch den Glauben an Jesus Christus erlangen können, versuchten sie durch gute Werke ihre eigene Gerechtigkeit vor Gott aufzurichten, durch die sie vor ihm bestehen wollten. Paulus schreibt dazu im Römerbrief:
Brüder, der Wunsch meines Herzens und mein Flehen zu Gott für Israel ist, daß sie gerettet werden. Denn ich gebe ihnen das Zeugnis, daß sie Eifer für Gott haben, aber nicht nach der rechten Erkenntnis. Denn weil sie die Gerechtigkeit Gottes nicht erkennen und ihre eigene Gerechtigkeit aufzurichten trachten, haben sie sich der Gerechtigkeit Gottes nicht unterworfen.
Römer 10,1-3
Da sie nicht verstanden, dass ihre eigene Gerechtigkeit vor Gott nicht ausreichend war, „unterwarfen“ sie sich nicht der Gerechtigkeit Gottes und lehnten den Messias und sein Erlösungswerk ab. Das bestätigte Jesus als sie das Zeugnis der Schrift über ihn nicht annehmen wollten:
Ihr erforscht die Schriften, weil ihr meint, in ihnen das ewige Leben zu haben; und sie sind es, die von mir Zeugnis geben. Und doch wollt ihr nicht zu mir kommen, um das Leben zu empfangen.
Johannes 5,39
Das große Problem der Sadduzäer war also, dass sie Schrift zwar lasen, aber in ihnen nicht Jesus Christus fanden. Sie wollten zwar den Segen Gottes, indem sie versuchten das zu tun, was ihnen die Bibel sagte, aber es fehlte ihnen an der Kraft Gottes, die tatsächlich gerecht macht und die einem nur Jesus schenken kann. Paulus erklärt nämlich im Römerbrief, dass die Kraft Gottes das Evangelium ist:
Denn ich schäme mich des Evangeliums von Christus nicht; Gottes Kraft zur Errettung für jeden, der glaubt, zuerst für den Juden, dann auch für den Griechen; denn es wird darin geoffenbart die Gerechtigkeit Gottes aus Glauben zum Glauben, wie geschrieben steht: „Der Gerechte wird aus Glauben leben“.
Römer 1,16-17
Nur wenn wir die Schrift auf Jesus hin lesen und verstehen, dass er schon alle Forderungen des Gesetzes für uns erfüllt hat, wird uns die Kraft seines Evangeliums zuteil und wir können durch den Glauben befreit, in Beziehung mit Gott leben. Suchen wir in der Schrift nicht nach Jesus, so können wir vielleicht den Willen Gottes in ihr erkennen, aber wir werden dadurch nur überführt, da uns die befreiende Kraft des Evangeliums fehlt und verzweifeln schließlich, weil wir versuchen, Gott aus eigener Kraft zu gefallen.
Wie lesen wir dann die Bibel richtig?
Die Bibel möchte uns Zeugnis von Jesus Christus geben. Um ihn drehen sich alle 66 Bücher der Bibel und ihn verkündigen sie. Er ist es, der uns wahres Leben und die Kraft Gottes schenken kann. Dabei möchte die Bibel keine Lebensanleitung sein, sondern ein Hinweis auf Jesus Christus, damit wir ihn besser kennen lernen:
Das ist aber das ewige Leben, daß sie dich, den allein wahren Gott, und den du gesandt hast, Jesus Christus, erkennen.
Johannes 17,3
So ist die Bibel auch kein Geschichtsbuch, dass die Geschichte der Welt nacherzählen möchte, obwohl sie in allen Texten die Wahrheit spricht. Eine Diskussion über die Art und Weise wie Gott die Welt geschaffen hat, ob in 6 Tagen oder aber in Millionen von Jahren (der Autor dieses Artikels hält an der 6 Tage Schöpfung fest), ist zwar interessant, aber geistlich gesehen wenig gewinnbringend, wenn wir im Schöpfungsakt Gottes nicht Jesu Wirken erkennen. Er ist das ewige Wort durch das Gott die Welt in die Existenz gerufen hat (Joh. 1-3) und zu dem alles hin erschaffen wurde (Kol. 1,16). Nur wenn wir ihn in der Bibel suchen und besser kennenlernen, kommt die Kraft Gottes in unserem Leben, das Evangelium, wirklich zur Geltung. Ein Studieren der alttestamentlichen Geschichten von Mose, David und anderen Glaubensvorbildern, ohne den Zusammenhang zu Jesu Erlösungswerk zu erkennen, führt den Leser zumeist nur an einen Punkt des Überführtseins von seiner eigenen Unzulänglichkeit und in die Kraftlosigkeit. Wenn wir andererseits jedoch in diesen Geschichten das Erlösungswerk Jesu für uns finden, so bewirkt das in uns eine größere Dankbarkeit und Anbetung seiner Person.
Die Bibel ist also kein Ratgeber für unser Leben, sondern das Zeugnis von Jesus Christus und seinem Werk am Kreuz für uns. Wir sollten sie daher auch nicht wie eine Bedienungsanleitung lesen („Was muss ich tun?“), sondern mit dem Ziel, Jesus darin zu finden und ihn besser kennenzulernen („Was tut/tat Jesus?“). Nur wenn wir das Zeugnis der Schrift über Jesus annehmen und zu ihm kommen, wird uns die Bibel zur Freude und zur Kraft Gottes, die unser Leben tatsächlich verändert.