Ca. 600 Jahre vor Christi Geburt trat ein Prophet mit Namen Jeremia in Jerusalem auf. Er diente als Priester in der Hauptstadt des Südreiches Juda und wurde von Gott berufen, um das jüdische Volk vor den ernsthaften Konsequenzen ihres Ungehorsams zu warnen. Da die Juden angefangen hatten heidnische Götter anzubeten und ihnen zu opfern, hatten sie den Bund mit Gott gebrochen und drohten nun in das Exil nach Babylon verschleppt zu werden. Um das kommende Gericht noch abzuwenden und Umkehr zu bewirken, sandte Gott seinen Diener Jeremia zu den Juden in Jerusalem. Er, der auch als der „weinende Prophet“ bekannt wurde, erfuhr aufgrund seiner Gerichtsbotschaften große Anfeindungen vom Volk Gottes: Er wurde öffentlich beschimpft, vor Gericht gestellt und in eine Zisterne geworfen. Das ist der Kontext von Jeremia 31, in dem Gott seinem Volk Hoffnung verheißt und einen Neuen Bund mit ihm ankündigt:
Siehe, Tage kommen, spricht der HERR, da schließe ich mit dem Haus Israel und mit dem Haus Juda einen neuen Bund: Nicht wie der Bund, den ich mit ihren Vätern geschlossen habe an dem Tag, als ich sie bei der Hand fasste, um sie aus dem Land Ägypten herauszuführen – diesen meinen Bund haben [sie] gebrochen, obwohl ich doch ihr Herr war, spricht der HERR. Sondern das ist der Bund, den ich mit dem Haus Israel nach jenen Tagen schließen werde, spricht der HERR: Ich werde mein Gesetz in ihr Inneres legen und werde es auf ihr Herz schreiben. Und ich werde ihr Gott sein, und [sie] werden mein Volk sein. Dann wird nicht mehr einer seinen Nächsten oder einer seinen Bruder lehren und sagen: Erkennt den HERRN! Denn sie alle werden mich erkennen von ihrem Kleinsten bis zu ihrem Größten, spricht der HERR. Denn ich werde ihre Schuld vergeben und an ihre Sünde nicht mehr denken.
Jeremia 31, 31-34
Diese Verheißung, die Jeremia von Gott bekommen hatte, musste unglaublich in den Ohren von Jeremias Zuhörern geklungen haben: Gott wird einen Neuen Bund mit seinem Volk machen, indem er sein Gesetz auf ihre Herzen schreibt, sodass sie ohne Zucht des mosaischen Gesetzes Ihm von Herzen gehorsam sein werden. Auch wird jeder in diesem Bund den Herrn persönlich kennen und von ihm gelehrt sein. Das war im krassen Gegensatz zum bisherigen Zustand des Volkes, indem nur wenige Gott wirklich kannten und ihm gehorsam waren.
Wem gilt nun dieser Neue Bund?
In Lukas 22 greift Jesus diesen Neuen Bund beim letzten Passahmahl auf und sagt:
Dies ist mein Leib, der für euch gegeben wird; dies tut zu meinem Gedächtnis! Ebenso auch den Kelch nach dem Mahl und sagte: Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blut, das für euch vergossen wird.
Lukas 22 19-20
Wie Mose den alten Bund mit Israel durch das Blut von Tieropfern einweihte (2. Mose 24,5-8), so weiht auch Jesus hier den Neuen Bund mit seinem Blut ein. Dabei wird dieser Bund nicht mit der Nation Israel, sondern offensichtlich mit der Gemeinde der Gläubigen geschlossen.
Auch Paulus in seiner Rolle als „Apostel der Heiden“ verstand sich als Diener des Neuen Bundes:
Nicht dass wir von uns aus tüchtig wären, etwas zu erdenken als aus uns selbst, sondern unsere Tüchtigkeit ist von Gott, der uns auch tüchtig gemacht hat zu Dienern des neuen Bundes, nicht des Buchstabens, sondern des Geistes.
2. Korinther 3, 5-6
Hier stellt sich jedoch die Frage: Wie kann der Neue Bund, der im Alten Testament offensichtlich an Israel verhießen wurde, im Neuen Testament von Jesus und den Aposteln aufgegriffen und als in der Gemeinde in Erfüllung gehend betrachtet werden?
Diese Frage stellt besonders Ausleger, die eine Wiederherstellung Israels lehren, vor große Herausforderungen, da Jeremia 31 die einzige Stelle im Alten Testament ist, die den „Neuen Bund“ namentlich verheißt (vgl. beispielsweise Hesekiel 36,26-32).
Erklärungsversuche sind hier zumeist Folgende:
- Der Neue Bund wird sich wörtlich an Israel in einem kommenden 1000-jährigen Reich erfüllen. Die Gemeinde hat deswegen nur Anteil an den geistlichen Segnungen dieses Bundes. Er wird also schon jetzt an der Gemeinde geistlich „bedient“.
- Es existieren zwei unterschiedliche Neue Bünde: Ein Neuer Bund mit Israel und ein weiterer mit der Gemeinde.
Diese Erklärungsversuche sind allerdings sehr unzulänglich, da es keine Stelle in der Bibel gibt, die das aussagt. Die Schrift hingegen macht klar, dass der Neue Bund nicht mit der Nation Israel, sondern mit dem Volk Gottes zu dem Juden und Heiden gleichermaßen gehören, geschlossen wurde. Dabei hängt die Zugehörigkeit zum Volk Gottes nicht von der ethnischen Mitgliedschaft und der äußerlichen Beschneidung ab, sondern vom Glauben und der Beschneidung des Herzens (Römer 2,28-29). So ist auch nicht der Teil des geistlichen Volkes Gottes, der ethnisch gesehen ein Jude ist, sondern der, welcher im Glauben an unseren Herrn Jesus Christus steht. Daher gelten auch die Verheißungen des Neuen Bundes nicht den „Kindern nach dem Fleisch“, sondern den „Kindern nach der Verheißung“ (Galater 4,22-31): Während der Alte Bund zweiseitig war und als Zuchtmeister des Evangeliums primär die Unzulänglichkeit des Menschen offenbarte, ist der Neue Bund einseitig und verheißt uns Sündenvergebung und ewiges Leben. Durch den Glauben an Jesus haben also auch wir Anteil an diesem Bund und an dessen Verheißungen, die ungleich größer und herrlicher sind als die des Alten Bundes:
Nun aber hat er einen um so erhabeneren Dienst erlangt, als er auch der Mittler eines besseren Bundes ist, der aufgrund von besseren Verheißungen festgesetzt wurde.
Denn wenn jener erste Bund tadellos gewesen wäre, so wäre nicht Raum für einen zweiten gesucht worden. Denn er tadelt doch, indem er zu ihnen spricht:„Siehe, es kommen Tage, spricht der Herr, da ich mit dem Haus Israel und mit dem Haus Juda einen neuen Bund schließen werde; nicht wie der Bund, den ich mit ihren Vätern gemacht habe an dem Tag, als ich sie bei der Hand nahm, um sie aus dem Land Ägypten zu führen – denn sie sind nicht in meinem Bund geblieben, und ich ließ sie gehen, spricht der Herr -, sondern das ist der Bund, den ich mit dem Haus Israel schließen werde nach jenen Tagen, spricht der Herr: Ich will ihnen meine Gesetze in den Sinn geben und sie in ihre Herzen schreiben; und ich will ihr Gott sein, und sie sollen mein Volk sein. Und es wird keiner mehr seinen Nächsten und keiner mehr seinen Bruder lehren und sagen: Erkenne den Herrn! Denn es werden mich alle kennen, vom Kleinsten bis zum Größten unter ihnen; denn ich werde gnädig sein gegen ihre Ungerechtigkeiten, und an ihre Sünden und ihre Gesetzlosigkeiten werde ich nicht mehr gedenken.“
Indem er sagt: „Einen neuen „, hat er den ersten Bund für veraltet erklärt; was aber veraltet ist und sich überlebt hat, das wird bald verschwinden.
Hebräer 8,6-13