Die Frage nach der Sicherheit des Heils hat schon viele Christen bewegt und ist auch heute noch Gegenstand vieler Diskussionen. Schaut man in die Kirchengeschichte zurück, waren es vor allem die Anhänger Johannes Calvins (auch Calvinisten genannt) und die Anhänger Jacobus Arminius (auch Arminianer genannt), die sich zu Beginn des 17. Jahrhunderts über diese Frage stritten und letztlich darüber entzweiten. Während die Calvinisten darauf beharrten, dass Gläubige bis zum Ende ihres Lebens durch die Kraft Gottes im Glauben bewahrt bleiben, argumentierten die Arminianer, dass Gläubige ihr Heil verlieren und der Gnade in Christus endgültig den Rücken zukehren können. Da die Frage nach der Heilssicherheit große Auswirkungen auf das Leben eines Gläubigen hat und auch in der heutigen Gemeindelandschaft weiterhin diskutiert wird, wollen wir sie im Folgenden studieren.
Heilssicherheit ist biblisch
Eine zentrale Stelle, die uns das Thema der Heilssicherheit näherbringt, finden wir in Römer 8. Nachdem Paulus zuvor im Römerbrief erklärt hat, dass die Menschheit, aufgrund ihrer Sünde, unter dem Zorngericht Gottes steht (Röm. 1,18-3,20) und die Rettung vor Gottes Zorn allein aus Glauben an Jesus Christus erfolgt (Röm. 3,21-5,21), schließt er den dritten Teil seines Briefes über das neue Leben der Gläubigen im Geist mit den folgenden Versen ab (Röm. 6,1–8,39) und diskutiert die Frage, ob wir unseres Heils tatsächlich gewiss sein können.
Was sollen wir nun hierzu sagen? Wenn Gott für uns ist, wer ⟨ist⟩ gegen uns? Er, der doch seinen eigenen Sohn nicht verschont, sondern ihn für uns alle hingegeben hat – wie wird er uns mit ihm nicht auch alles schenken? Wer wird gegen Gottes Auserwählte Anklage erheben? Gott ist es, der rechtfertigt. Wer ist da, der verdammt? Christus Jesus ist es, der gestorben, ja noch mehr, der auferweckt, der auch zur Rechten Gottes ist, der sich auch für uns verwendet. Wer wird uns scheiden von der Liebe Christi? Bedrängnis oder Angst oder Verfolgung oder Hungersnot oder Blöße oder Gefahr oder Schwert? Wie geschrieben steht: »Deinetwegen werden wir getötet den ganzen Tag; wie Schlachtschafe sind wir gerechnet worden.« Aber in diesem allen sind wir mehr als Überwinder durch den, der uns geliebt hat. Denn ich bin überzeugt, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, noch Mächte, weder Höhe noch Tiefe, noch irgendein anderes Geschöpf uns wird scheiden können von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserem Herrn.
Römer 8,31-39
Paulus Antwort auf diese Frage ist eindeutig: Nachdem Gott seinen eigenen Sohn für uns dahingegeben hat, wird er uns auch alles schenken, was er uns verhießen hat und uns auf dem Weg zur vollkommenen Rettung nicht fallen lassen. Dabei ist sein Argument vom Stärkeren zum Schwächeren (argumentum a fortiori) logisch und verdeutlicht, dass wenn Gott uns das größte Geschenk in seinem Sohn schon gemacht hat, er auch nicht zögern wird uns an das Ziel zu tragen und uns das vollständige, himmlische Erbe auszuhändigen. Dabei ist es keineswegs so, dass der Gläubige nach seiner Bekehrung keine Feinde mehr hat, die ihn auf dem Weg in den Himmel beeinträchtigen können. Paulus zählt in Vers 35 eine ganze Reihe an Gegnern und Umständen auf, die unseren Glauben ins Wanken bringen könnten: Bedrängnis oder Angst oder Verfolgung oder Hungersnot oder Blöße oder Gefahr oder Schwert. Doch keiner dieser Feinde kann den Gläubigen von der rettenden Liebe, die Gott uns in Jesus geschenkt hat trennen. Stattdessen überwindet er weit durch die Kraft Jesu, die ihn im Glauben festhält.
Dabei schließen diese Verse auch aus, dass der Gläubige selbst die Fähigkeit hat, sich aus Gottes Hand wegzureißen. Paulus zählt in Vers 38 alle erdenklichen Möglichkeiten auf, die uns von Jesus trennen könnten und gipfelt dann in Vers 39 mit der Aussage, dass „noch irgendein anderes Geschöpf uns wird scheiden können von der Liebe Gottes“. So gibt es also nichts, kein äußerer Umstand, kein geistliches oder menschliches Wesen (inklusive des Gläubigen selbst), das es vermag, den Gläubigen aus Gottes Hand zu reißen.
Diese Aussagen von Paulus decken sich mit anderen Stellen in der Schrift, die auch die Sicherheit unseres Heils klar bezeugen. In Johannes 10 wird uns Jesus als der gute Hirte vorgestellt, der seine Schafe bewahrt.
Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie, und sie folgen mir; und ich gebe ihnen ewiges Leben, und sie gehen nicht verloren in Ewigkeit, und niemand wird sie aus meiner Hand rauben. Mein Vater, der ⟨sie⟩ mir gegeben hat, ist größer als alle, und niemand kann ⟨sie⟩ aus der Hand ⟨meines⟩ Vaters rauben. Ich und der Vater sind eins.
Johannes 10,27-30
Diese Verse machen deutlich, dass die Sicherheit der Schafe sowohl in der Macht des Sohnes als auch in der Macht des Vaters begründet liegt. Es ist nicht das Schaf, dass sich selbst im Glauben hält, sondern der Vater und der Sohn bewahren es in ihrer Souveränität, indem sie alle Dinge zum Guten (=dem Heil in Christus) des Schafes wirken. Die Heilssicherheit der Gläubigen beruht also auf dem Charakter und dem Wesen Gottes, der seine Zusagen unerschütterlich hält und sein Wort ihnen gegenüber treu erfüllt.
Des Weiteren erfahren wir in Epheser 4, dass auch der Heilige Geist bei der Bewahrung des Gläubigen eine Rolle spielt.
Und betrübt nicht den Heiligen Geist Gottes, mit dem ihr versiegelt worden seid auf den Tag der Erlösung hin!
Epheser 4,30
In diesen Versen bezeichnet Paulus den Heiligen Geist als unser Siegel, das uns garantiert, dass wir bei Jesu Wiederkunft vollständig erlöst und unseren Auferstehungsleib empfangen werden. Dabei spiegelt das Bild des Siegels das Eigentumsrecht Gottes wieder, der den Gläubigen, den er sich erkauft hat, bis zum Ende bewahrt und ihn unter seinen persönlichen Schutz stellt.
Wir sehen also, dass alle drei Personen Gottes Vater, Sohn und der Heilige Geist bei der Bewahrung des Gläubigen zum Heil aktiv sind und deshalb ein Verlorengehen eines wahrhaft Wiedergeborenen unmöglich ist. Dabei bildet die Grundlage der Heilssicherheit nicht die Treue des Gläubigen zu Gott, sondern Gottes Treue zu ihm, der auch fähig ist, die Seinen im Glauben zu bewahren.
Wozu dienen dann die Warnungen der Schrift vor dem Abfall?
Wenn ein Wiedergeborener nicht mehr verloren gehen kann, stellt sich natürlich die Frage, wie sind dann die Warnungen der Bibel vor dem Abfall vom Glauben zu verstehen (z.B. Hebr. 6,4-8, Röm. 11,22, Matt. 24,13, Hebr. 10,26-31)?
Zum einen dienen diese Warnungen dazu, uns im Glauben zu halten. Sie sind Gottes Mittel, um in uns Ausharren und Treue zu Christus zu bewirken. Der Heilige Geist bewirkt nämlich im Gläubigen ein Ernstnehmen der biblischen Warnungen und bewahrt ihn somit vor dem Abfall. Dabei lässt die Schrift sowohl Warnungen als auch Verheißungen nebeneinanderstehen. So heißt es beispielsweise im Judasbrief:
Ihr aber, Geliebte, erbaut euch auf eurem heiligsten Glauben, betet im Heiligen Geist, erhaltet euch in der Liebe Gottes, indem ihr die Barmherzigkeit unseres Herrn Jesus Christus erwartet zum ewigen Leben.
Judas 20-21
Hier fordert Judas die Gläubigen auf, sich in der Liebe Gottes und damit im Glauben an Jesus Christus zu bewahren. Im Schlusswort des Briefes weist er dagegen auf Gottes Allmacht hin, die fähig ist ihn bis ans Ende durchzutragen:
Dem aber, der euch ohne Straucheln zu bewahren und vor seine Herrlichkeit tadellos mit Jubel hinzustellen vermag, dem alleinigen Gott, unserem Retter durch Jesus Christus, unseren Herrn, sei Herrlichkeit, Majestät, Gewalt und Macht vor aller Zeit und jetzt und in alle Ewigkeiten! Amen.
Judas 24-25
Wir sehen also, dass es Gott ist, der als Teil seines Rettungswirkens die Seinen im Glauben hält. Dabei übergeht er nicht den Willen der Gläubigen, sondern schließt diesen in sein Wirken mit ein, indem er ihn durch die biblischen Warnungen ermutigt im Glauben auszuharren. Die Stellen vom Abfall kommen hingegen bei denen zum Tragen, die Christus loslassen und sich von ihm abwenden (Röm. 11,22). Wer also abfällt, versagt letztlich auch darin den biblischen Warnungen wirklich Glauben zu schenken.
Was ist mit denen, die vom Glauben abgefallen sind?
Während die Warnungen also zum einen Gottes Mittel sind, um in uns ausdauernden Glauben zu bewirken, dienen sie zum anderen auch als Prüfung, um echten Glauben von unechtem Glauben zu unterscheiden. Da wahrer Glaube als Frucht zwangsläufig das Ausharren in Treue zu Jesus hervorbringt (Hebr. 3,14), kann ein Abfall darauf hindeuten, dass kein rettender Glaube, sondern ein falsches Bekenntnis vorliegt. Der Apostel Johannes zieht in seinem Brief die Möglichkeit in Betracht, dass sich einige vom Glauben an Jesus und seiner Gemeinde lossagen werden.
Von uns sind sie ausgegangen, aber sie waren nicht von uns; denn wenn sie von uns gewesen wären, würden sie wohl bei uns geblieben sein; aber ⟨sie blieben nicht,⟩ damit sie offenbar wurden, dass sie alle nicht von uns sind.
1. Johannes 2,19
Dabei erklärt er in diesen Versen, dass die, welche dem biblischen Christus entsagen und die Gemeinde verlassen, niemals wahrhaft Wiedergeborene gewesen sind. Sie haben zwar ein christliches Bekenntnis abgelegt und sich zu Beginn auch als Teil der Gemeinde Gottes gesehen, blieben aber in ihrem Herzen unbekehrt, sodass ihr Abfall als die Frucht ihres ungläubigen Herzens gedeutet werden muss. Das heißt nicht, dass sie vom wahren Glauben abgefallen sind, sondern, dass sie niemals errettenden Glauben besaßen. Auch wenn wahrhaft Wiedergeborene ebenfalls in gravierende Sünde fallen und sich dadurch zeitweise von Jesus entfernen können (Matt. 26,31-35), wird sie der Heilige Geist in ihnen zurück zu ihrem Herrn drängen, sodass sie Buße tun und nicht endgültig vom Glauben abfallen werden.
Wir sehen also, dass das Ausharren im Glauben Gottes Werk ist, bei dem er die Seinen in Treue zu ihrem Herrn und Heiligkeit verharren lässt. Dabei bezieht er ihren Willen mit ein, indem er sie auf seine Warnungen achtgeben und sie dadurch im Glauben ausharren lässt. Wir müssen also keine Angst haben abzufallen und verloren gehen zu können. Stattdessen dürfen wir darauf vertrauen, „dass der, der ein gutes Werk in [uns] angefangen hat, es vollenden wird bis auf den Tag Christi Jesu“ (Phil. 1,6). Unsere Sicherheit liegt nämlich in Gottes Wort und seinem Wesen begründet, das unveränderlich zu seinen Verheißungen steht. Dabei bildet das Erlösungswerk Christi die Grundlage dafür, dass Gott sich unserer annimmt und uns bis zum Ende durchträgt. Ihm sei die Ehre dafür!