Der Bund Gottes mit Abraham in 1. Mose 12 und folgend ist ein Schlüsseltext zum richtigen Verständnis der Bibel und der gesamten Offenbarung Gottes. Darin verheißt Gott, aus Abraham eine große Nation zu machen, ihn zu segnen und durch ihn letztendlich allen Geschlechtern der Erde Gottes Segen zukommen zu lassen. In 1. Mose 12,7 fügt Gott dann noch das Versprechen eines Landesbesitzes hinzu, das Abrahams Nachkommen gehören soll.
Obwohl 1. Mose 12 und die folgenden Texte des Abrahambundes zentral für das richtige Verständnis von Gottes Wort sind, stimmen nicht alle Theologen in ihrer Auslegung überein. Viele sehen in dem Nationalstaat Israel den Beginn der Erfüllungen der Versprechen Gottes an Abraham. Dabei verstehen sie die abrahamitischen Landeszusagen als den Juden geltend, die 1948 ihren eigenen Nationalstaat in Palästina gründeten. Allerdings stellen sich bei einer solcher Auslegung des Abrahambundes viele Fragen, die sich nicht mit einem rein wörtlichen Verständnis der Bibel beantworten lassen können. Im Folgenden wollen wir daher die Verheißungen an Abraham und vor allem Gottes Versprechen bezüglich des gelobten Landes näher betrachten und herausfinden wem sie gelten und in welcher Form sie sich erfüllen werden.
1. Mose 13 bildet den Kontext, in welchem Gott die Landesverheißungen an Abraham ausführt und konkretisiert: Nachdem sich Abraham, aufgrund einer Hungersnot, eine Zeit lang in Ägypten aufgehalten hat, kehrt er mit Lot in 1. Mose 13 wieder nach Kanaan zurück. Dort angekommen bricht ein Streit zwischen den Hirten Lots und Abrahams um das bessere Weideland aus. Dies veranlasst Abraham zu dem Vorschlag sich aufzuteilen und Lot ein Weideland aussuchen zu lassen. Lot, der eher irdisch gesinnt ist, sieht, dass die Jordanebene so fruchtbar ist „wie der Garten des Herrn“ (1.Mose 13,10) und wählt diesen Teil des Landes. Abraham hingegen, dessen Fokus der Himmel ist, gibt sich mit dem Land Kanaan zufrieden. Daraufhin spricht Gott zu Abraham:
Und der HERR sprach zu Abram, nachdem Lot sich von ihm getrennt hatte: Erheb doch deine Augen, und schaue von dem Ort, wo du bist, nach Norden und nach Süden, nach Osten und nach Westen! Denn das ganze Land, das du siehst, dir will ich es geben und deinen Nachkommen für ewig. Und ich will deine Nachkommen machen wie den Staub der Erde, so daß, wenn jemand den Staub der Erde zählen kann, auch deine Nachkommen gezählt werden. Mache dich auf, und durchwandere das Land seiner Länge nach und seiner Breite nach! Denn dir will ich es geben.
1. Mose 13, 14-17
Während Lot das augenscheinlich bessere Land bekommt, empfängt Abraham die Verheißungen Gottes einer großen Nachkommenschaft und des Landes Kanaans („durchwandere das Land seiner Länge nach… Dir will ich es geben“).
Dieses Versprechen wurde von Gott ca. 700 Jahre später durch die Einnahme des Landes Kanaans von den Israeliten physisch erfüllt. Nachdem die Juden das Land eingenommen und die Kanaaniter vertrieben hatten, verschaffte Gott ihnen zunächst Ruhe vor ihren Feinden:
So gab der HERR Israel das ganze Land, das er ihren Vätern zu geben geschworen hatte. Und sie nahmen es in Besitz und wohnten darin. Und der HERR verschaffte ihnen Ruhe ringsumher, ganz wie er es ihren Vätern geschworen hatte. Und keiner von allen ihren Feinden hielt vor ihnen stand; alle ihre Feinde gab der HERR in ihre Hand. Es fiel kein Wort dahin von all den guten Worten, die der HERR zum Haus Israel geredet hatte. Alles traf ein.
Josua 21, 43-45
Allerdings wurde das Land nicht nur Abrahams Nachkommen, sondern auch ihm selbst, auf ewig versprochen („dir will ich es geben und deinen Nachkommen für ewig“). Abraham selbst aber nahm es, außer der Höhle von Machpela, die seiner Familie als Grabstätte diente (1. Mose 23,7-20), nie in Besitz. Stattdessen lebte er als Fremdling in Kanaan. Dennoch wusste er, dass Gott treu sein und sein Versprechen an ihn erfüllen würde. Dabei hoffte er auf ein besseres Erbe, nämlich ein himmlisches Land, das er nicht in diesem Leben, sondern in der Ewigkeit empfangen würde. Dies bestätigt uns der Autor des Hebräerbriefs:
Durch Glauben war Abraham, als er gerufen wurde, gehorsam, auszuziehen an den Ort, den er zum Erbteil empfangen sollte; und er zog aus, ohne zu wissen, wohin er komme. Durch Glauben siedelte er sich im Land der Verheißung an wie in einem fremden und wohnte in Zelten mit Isaak und Jakob, den Miterben derselben Verheißung; denn er erwartete die Stadt, die Grundlagen hat, deren Baumeister und Schöpfer Gott ist.
Hebräer 11,8-10
Es ist erstaunlich, dass Abraham, obwohl ihm das Land Kanaan von Gott versprochen wurde, keinerlei Versuch unternahm, es in Besitz zu nehmen. Stattdessen begnügte er sich mit Isaak und Jakob, den Erben der gleichen Verheißung, in Zelten als Fremder zu leben und auf ein besseres Land in Gottes neuer Schöpfung zu warten, welches auch allen Gläubigen zuteil werden wird. Nicht umsonst sagt Jesus in der Bergpredigt:
Glückselig die Sanftmütigen, denn [sie] werden das Land erben. Glückselig die Sanftmütigen, denn sie werden das Land erben.
Matthäus 5,5
Dabei redet Jesus hier nicht von einem physischen Land auf dieser Erde, sondern von einer geistlichen Heimat, die er im Himmel allen Gläubigen bereitet hat.
In Hebräer 11 fordert uns der Hebräerbriefschreiber auf, es Abraham und den anderen Glaubenshelden gleichzutun und unsere Hoffnung nicht auf ein irdisches und vergängliches, sondern auf ein himmlisches und ewiges Land zu setzen:
Diese alle sind im Glauben gestorben und haben die Verheißungen nicht erlangt, sondern sahen sie von fern und begrüßten sie und bekannten, daß sie Fremde und ohne Bürgerrecht auf der Erde seien. Denn die, die solches sagen, zeigen deutlich, daß sie ein Vaterland suchen. Und wenn sie an jenes gedacht hätten, von dem sie ausgezogen waren, so hätten sie Zeit gehabt, zurückzukehren. Jetzt aber trachten sie nach einem besseren, das ist nach einem himmlischen. Darum schämt sich Gott ihrer nicht, ihr Gott genannt zu werden, denn er hat ihnen eine Stadt bereitet.
Hebräer 11,13-16
Zusammenfassend ist zu sagen, dass Abraham die Erfüllung der Landesversprechungen an ihn nicht auf dieser Erde erwartete. Stattdessen erkannte er, dass das irdische Land Kanaan ein Bild für das bessere himmlische Land sein musste, das alle Gläubigen mit ihm erben werden. Somit lehrt auch 1. Mose 13 kein Wahrwerden der Landeszusagen Gottes in einem israelischen Nationalstaat, sondern verspricht vielmehr Abrahams geistlichen Nachkommen, den Gläubigen, eine himmlische Heimat. Auch wenn man ein wiederhergestelltes Israel in einem 1000-jährigen Reich unter Jesu Herrschaft erwartet, so sind doch die Landesverheißungen an Abraham ewig und können sich nicht auf dieser vergänglichen Erde erfüllen.
Während Gottes Bund mit Abraham einseitig ist und seine Erfüllung daher allein von Gottes Treue abhängt, so ist der Sinaibund, der ca. 650 Jahre später mit dem Volk Israel geschlossen wurde nicht einseitig und deswegen vom Gehorsam der Israeliten abhängig (2. Mose 19,5-6). Aus diesem Grund war auch der Verbleib des Volkes im Land Kanaan an ihren Gehorsam geknüpft. Da das Volk Israel jedoch Gottes Gebote ignorierte und andere Götter anbetete, brach es schon bald den Bund den es mit Gott am Berg Sinai geschlossen hatte und wurde letztendlich von Gott wieder aus dem Land Kanaan herausgeführt (2. Chronik 36,15-21).
Durch Christus haben wir als Gläubige keinen Anteil an den irdischen Landesverheißungen des Volkes Israel bekommen, sondern sind Erben der weit besseren himmlischen Verheißungen des Abrahambundes. Aus diesem Grund fordert uns auch der Hebräerbriefschreiber auf, mit Abraham festzuhalten, dass wir kein bleibendes Bürgerrecht hier auf dieser Erde besitzen, sondern uns, wie Abraham, auf dem Weg in unser himmlisches Land befinden, das uns in Christus geschenkt worden ist.