Wer waren die Weisen aus dem Morgenland?

Jedes Jahr in der Weihnachtszeit werden vielerorts Krippenspiele aufgestellt und Versuche unternommen, die Weihnachtsgeschichte nachzustellen. Sie zeigen meistens Joseph, Maria und Jesus im Stall von Bethlehem, umrundet von den Hirten und den drei Weisen aus dem Morgenland. Da vor allem die Weisen eine gewisse Mystik umgibt und sie aufgrund ihrer Herkunft eine große Faszination auf viele Hörer der Weihnachtsgeschichte ausüben, wollen wir uns hier eingehender mit ihnen befassen und versuchen herauszufinden, wer sie wirklich waren. Matthäus berichtet uns folgendes:

Als aber Jesus zu Bethlehem in Judäa geboren war, in den Tagen des Königs Herodes, siehe, da kamen Weise vom Morgenland nach Jerusalem, die sprachen: Wo ist der König der Juden, der geboren worden ist? Denn wir haben seinen Stern im Morgenland gesehen und sind gekommen, ihm zu huldigen.

Matthäus 2,1-2

Woher kamen die Weisen?

Wenn wir den biblischen Weihnachtstext lesen stellen wir zunächst einmal fest, dass die Bibel die Weisen aus dem Morgenland nicht als Könige bezeichnet. Die Bibel nennt sie Weise oder Magier, die aus dem „Osten“ (gr.: anatole) kamen. Der Osten bezeichnet im biblischen Kontext die Reiche von Babylonien, Persien und Assyrien. Diese Gebiete waren zur Zeit Jesu Teil des großen Partherreiches, dass die dominierende Macht in Mesopotamien war und Gebiete in dem heutigen Iran, Irak, Syrien und der Türkei umfasste. So waren die Weisen also Heiden aus dem entfernten Orient, die von dem angekündigten Messias gehört hatten.

Wie viele Weisen kamen zu Jesus und wann?

In vielen Krippenspielen sieht man sowohl die Hirten als auch die Weisen im Stall um Jesus stehend. Tatsächlich sind sich die Hirten und die Weisen jedoch wahrscheinlich nie begegnet, da sie zeitlich getrennt innerhalb von bis zu 2 Jahren bei der jungen Familie eintrafen. Deswegen bezeichnet Lukas Jesus zur Zeit des Besuchs der Hirten auch als Säugling, wohingegen Matthäus schreibt, dass die Weisen schon ein kleines Kind sahen.

Höchstwahrscheinlich hießen die Weisen aus dem Morgenland nicht Caspar, Melchior und Balthasar, diese Namen wurden erst im Mittelalter vergeben. Auch waren sie vermutlich nicht nur zu dritt unterwegs. Üblich war es für Männer ihres Standes mit einer Entourage und einer kleinen Armee zu reisen. Immerhin berichtet uns Matthäus, dass ihre Anwesenheit ganz Jerusalem in Aufruhr versetzte:

Als aber der König Herodes es hörte, wurde er bestürzt und ganz Jerusalem mit ihm.

Matthäus 2,3

Was war ihr Beruf?

Die Weisen gehörten einer besonderen Priesterkaste an, die unter den orientalischen Königen sehr geschätzt war und ihnen als Ratgeber und Lehrer diente. Dabei waren sie mit allen wichtigen Wissenschaften des Orients vertraut und galten als Experten auf ihrem jeweiligen Gebiet. Sie bedienten sich aber auch der Astrologie und der Wahrsagerei, weshalb sie oftmals in okkulte Aktivitäten verstrickt waren. Aus diesem Grund bezeichnet sie auch die Bibel als Magier. Sie selbst waren also keine Könige, aber hatten in ihrer Funktion als priesterliche Ratgeber des Königs, das Recht Herrscher zu bestätigen und einzusetzen.  

Woher wussten sie von Jesu Geburt?

Hier stellt sich natürlich die Frage, wie diese heidnischen Magier von der Geburt Jesu erfahren haben konnten und warum sie über 1000 km zurückgelegt haben, um Jesus anzubeten.

Ein Hinweis auf die Antwort dieser Frage finden wir im Buch Daniel. Daniel war ein jüdischer Prophet im babylonischen Exil: Nachdem Jerusalem ca. 600 Jahre v. Chr. von den Babyloniern eingenommen und das Volk Israel zum großen Teil nach Babylon verschleppt wurde, mussten Daniel und seine Freunde am Hof des babylonischen Königs Nebukadnezzar dienen. Dort verkündete Daniel dem Nebukadnezzar die Deutung eines wichtigen Traumes, den die babylonischen Weisen nicht deuten konnten (Daniel 2). Zum Dank wurde Daniel von Nebukadnezzar reichlich beschenkt und der König „setzte ihn zum Herrscher über die ganze Provinz Babel und zum Oberhaupt über alle Weisen von Babel“ (Daniel 2,48). Auf diese Weise wurde also der gläubige Jude Daniel zum Obersten der babylonischen Weisen.

Daniel brachte den Weisen natürlich nicht nur seine Kultur und Denkweise näher, sondern auch seinen Glauben an den lebendigen Gott. So müssen wir annehmen, dass einige von ihnen zum Glauben an den Gott Israels gekommen waren und auch große Teile des Alten Testaments kannten. Sie erwarteten, ebenso wie die gläubigen Juden, die Ankunft des verheißenen Messias und studierten die Prophezeiungen seines baldigen Kommens.

Warum verbanden sie Jesu Geburt mit dem Erscheinen eines Sterns?

Als nächstes stellt sich die Frage, woher die Weisen wussten, dass ihnen ein Stern die Geburt des Messias anzeigen würde und was das für ein Stern war? Wenn wir den biblischen Text studieren, stellen wir fest, dass dieser Stern kein buchstäblicher Stern sein konnte:

  1. Der Stern erschien zuerst bei Jesu Geburt im Morgenland und verschwand dann wieder, um zu einem späteren Zeitpunkt in der Nähe von Jerusalem wiederaufzutauchen.
  2. Er bewegte sich von Norden nach Süden und blieb über dem Haus, in dem Jesus zu finden war, stehen.

Die Bewegungen dieses Sternes zeigen also, dass es sich hier nicht um einen wirklichen Stern handeln konnte, sondern um eine „Ausstrahlung“ Gottes. Im Propheten Jesaja finden wir einen wichtigen Hinweis auf diese „Ausstrahlung“:

Steh auf, leuchte; denn dein Licht ist gekommen, und die Herrlichkeit des HERRN ist über dir aufgegangen! Denn siehe, Finsternis bedeckt die Erde und Dunkel die Völkerschaften; aber über dir strahlt der HERR auf, und seine Herrlichkeit erscheint über dir. Und Nationen wandeln zu deinem Licht hin, und Könige zum Glanz deines Aufgangs.

Jesaja 60,1-3

In diesen Versen ist von der Herrlichkeit des Herrn, der sogenannten „Schechina“ Herrlichkeit (hebr. šəkhînāh), die Rede, welche die sichtbare Gegenwart Gottes bei seinem Volk beschreibt und die den Weisen aus dem Morgenland leuchtete. Sie trat immer dann auf, wenn Gott bei seinem Volk präsent war und ihnen Weisung geben wollte. So finden wir sie beispielsweise als Wolkensäule bzw. als Feuersäule im 4. Mose Buch wieder, wo sie dem Volk Israel ebenfalls den Weg in der Wüste anzeigte.

Da sie sich als Astrologen des Königs mit den Sternen und ihren Konstellationen sehr gut auskannten und den Schriften des Alten Testaments glaubten, die das kommende „große Licht“ ankündigen (Jes. 9,1), war ihnen gewiss sofort der helle Glanz am Himmel aufgefallen. Sicherlich kannten sie auch die Prophezeiungen eines anderen Wahrsagers, nämlich Bileams aus 4. Mose 24. Er verknüpfte die Ankunft des Messias ebenfalls mit einem Stern:

Ich sehe ihn, aber nicht jetzt, ich schaue ihn, aber nicht nahe; ein Stern tritt hervor aus Jakob, und ein Zepter erhebt sich aus Israel und zerschlägt die Seiten Moabs und zerschmettert alle Söhne des Getümmels.

4. Mose 24,17

So kamen sie also zu dem Schluss, dass dies der „Stern“ des Messias sein musste und dass der Retter der Welt geboren war. Also machten sie sich auf den Weg nach Jerusalem, der Hauptstadt Judäas, um ihm zu huldigen und ihn als König anzubeten. Dort angekommen fragten sie die Juden und erkundigten sich zunächst, wo er geboren werden sollte. Damit erregten sie allerdings auch die Aufmerksamkeit des gegenwärtig regierenden König Herodes. Dieser saß durch verschiedene politische Intrigen unrechtmäßig auf dem Thron und war ebenfalls bestrebt, den Geburtsort des neuen Königs herauszufinden. Allerdings nicht um ihn als rechtmäßigen König anzubeten, sondern um ihn töten zu lassen (siehe Mat. 2,13-23):

Und er versammelte alle Hohen Priester und Schriftgelehrten des Volkes und erkundigte sich bei ihnen, wo der Christus geboren werden solle. Sie aber sagten ihm: Zu Bethlehem in Judäa; denn so steht durch den Propheten geschrieben: „Und du, Bethlehem, Land Juda, bist keineswegs die geringste unter den Fürsten Judas, denn aus dir wird ein Führer hervorkommen, der mein Volk Israel hüten wird.“

Dann rief Herodes die Magier heimlich zu sich und erfragte von ihnen genau die Zeit der Erscheinung des Sternes; und er sandte sie nach Bethlehem und sprach: Zieht hin und forscht genau nach dem Kind; wenn ihr es aber gefunden habt, so berichtet es mir, damit auch ich komme und ihm huldige. Sie aber zogen hin, als sie den König gehört hatten.

Und siehe, der Stern, den sie im Morgenland gesehen hatten, ging vor ihnen her, bis er kam und oben über dem Ort stehen blieb, wo das Kind war. Als sie aber den Stern sahen, freuten sie sich mit sehr großer Freude. Und als sie in das Haus gekommen waren, sahen sie das Kind mit Maria, seiner Mutter, und sie fielen nieder und huldigten ihm; und sie taten ihre Schätze auf und brachten ihm Gaben dar: Gold und Weihrauch und Myrrhe.

Matthäus 2,4-11

Als sie das Haus betraten, sahen sie Jesus mit Maria und beteten ihn an. Die Weisen aus dem Morgenland waren also wahre Anbeter Christi. Sie glaubten der Schrift und wussten weit mehr über seine Person, als wir zunächst vielleicht annehmen möchten. Vor allem aber kannten sie schon den Propheten Jesaja und wussten welche Geschenke für den Messias der Welt angemessen waren:

  • Gold schenkte man damals den Königen und Herrschern – Jesus ist der König aller Könige, dem Lob und Anbetung gebührt (Jesaja 9,5-6 & Jesaja 60,6)
  • Weihrauch räucherten die Priester im Tempel Gott – Jesus ist der wahre Gott, dessen Name Immanuel übersetzt „Gott mit uns“ heißt (Jesaja 7,14 & Jesaja 60,6)
  • Myrrhe wurde zum Einbalsamieren der Toten benutzt – Jesus wurde Mensch und starb am Kreuz, um die Strafe für unsere Sünden auf sich zu nehmen (Jesaja 53)  

So kannten und glaubten sie also schon an das Evangelium des Sohnes Gottes, der am Kreuz für ihre Schuld starb und erkannten in ihm ihren Retter. Sie wussten, dass er der wahre Messias ist, der sein Volk von seinen Sünden erlöst und der würdig ist ihre Anbetung zu empfangen:

Da er in Gestalt Gottes war, es nicht für einen Raub achtete, Gott gleich zu sein, sondern sich selbst zu nichts machte und Knechtsgestalt annahm, indem er in Gleichheit der Menschen geworden ist, und, in seiner Gestalt wie ein Mensch erfunden, sich selbst erniedrigte, indem er gehorsam wurde bis zum Tod, ja, zum Tod am Kreuz. Darum hat Gott ihn auch hoch erhoben und ihm den Namen gegeben, der über jeden Namen ist, damit in dem Namen Jesu jedes Knie sich beuge, der Himmlischen und Irdischen und Unterirdischen, und jede Zunge bekenne, dass Jesus Christus Herr ist, zur Verherrlichung Gottes, des Vaters.

Philipper 2,6-11