Was ist das Gesetz Christi?

Wenn man heutzutage Christen nach einem Standard für ihren Lebenswandel und nach einer Grundlage für ihre Ethik fragt, erhält man ganz verschiedene Antworten. Viele halten die 10 Gebote für maßgebend und versuchen ihr Leben nach dem Gesetz Moses auszurichten. Andere wiederum argumentieren für die völlige Freiheit des Christen und halten keinerlei Norm für bindend. Auch der Apostel Paulus hatte viel mit dem Gesetz zu tun und war sich der Spannung, in welcher der Gläubige lebt bewusst:

Denn obwohl ich allen gegenüber frei bin, habe ich mich allen zum Sklaven gemacht, damit ich so viele wie möglich gewinne. Und ich bin den Juden wie ein Jude geworden, damit ich Juden gewinne; denen, die unter Gesetz sind, wie einer unter Gesetz – obwohl ich selbst nicht unter Gesetz bin –, damit ich die, welche unter Gesetz sind, gewinne; denen, die ohne Gesetz sind, wie einer ohne Gesetz – obwohl ich nicht ohne Gesetz vor Gott bin, sondern unter dem Gesetz Christi –, damit ich die, welche ohne Gesetz sind, gewinne.

1. Korinther 9,19-21

Paulus macht in diesen Versen klar, dass er, obgleich er nicht länger unter dem Gesetz Moses ist, er dennoch unter einem anderen Gesetz steht. Er bezeichnet dieses Gesetz als das „Gesetz Christi“. Aber was steckt hinter diesem Begriff? Was für ein Gesetz hat Jesus seinen Nachfolgern gegeben und an welchem Gebot soll sich das Leben seiner Nachfolger ausrichten? Diese Fragen wollen wir im Folgenden anschauen und versuchen sie mit Hilfe der Schrift zu beantworten.

Ein neues Gebot

Um zu verstehen was für ein Gebot uns der Herr hier gegeben hat müssen wir zur Einsetzung des Neuen Bundes zurückgehen.

Kinder, noch eine kleine ⟨Weile⟩ bin ich bei euch; ihr werdet mich suchen, und wie ich den Juden sagte: Wohin ich gehe, könnt ihr nicht hinkommen, so sage ich jetzt auch euch. Ein neues Gebot gebe ich euch, dass ihr einander liebt, damit, wie ich euch geliebt habe, auch ihr einander liebt. Daran werden alle erkennen, dass ihr meine Jünger seid, wenn ihr Liebe untereinander habt.

Johannes 13,33-35

Jesus redet hier im Zusammenhang vom Neuen Bund auch von einem Neuen Gesetz, das er ihnen gibt und das die Bruderliebe betrifft. Er trägt seinen Jüngern auf sich untereinander so zu lieben, wie er sie geliebt hat. Dabei spricht er hier explizit von einem Neuen Gebot. Aber wieso nennt er dieses Gebot neu, da uns doch auch schon das mosaische Gesetz zur Nächstenliebe auffordert (3. Mose 19,18)?

Das Gebot ist in dreifacher Hinsicht neu:

  1. Das Gesetz Christi wurde im Zusammenhang mit dem Neuen Bund gegeben und hat damit die gleiche Funktion wie das Gesetz Moses im Alten Bund. Es bildet also die Grundlage, nach der wir im Neuen Bund Gott verherrlichen sollen.
  2. Die Qualität dieses neuen Gesetzes übertrifft die des alten Gebotes bei Weitem. Während das Gesetz Moses forderte, den Nächsten so zu lieben wie sich selbst, ruft uns das Gesetz Christi auf den Nächsten so zu lieben, wie Christus uns liebt. Damit setzt es den Maßstab der Liebe weit höher als im alten Bund.
  3. Die Quelle dieser Liebe ist eine andere. Während im Alten Bund das Liebesgebot eine rein äußerliche Forderung war, die wir durch unsere sündige Natur nicht erfüllen konnten, ist sie im Neuen Bund ein innerliches Verlangen, das uns durch die Erneuerung des Geistes geschenkt wird. Dabei hilft uns der Geist auch bei der Umsetzung dieses Gebots.

So bildet also das Gesetz Christi einen neuen, viel höheren Maßstab für die Gläubigen des Neuen Bundes als das Gesetz Moses im Alten Bund. Dementsprechend heißt es beispielsweise auch über das Geben im Alten Testament:

Und der ganze Zehnte des Landes, vom Samen des Landes, von der Frucht der Bäume, gehört dem HERRN; es ist dem HERRN heilig

3. Mose 27,30

Im Neuen Testament ist der Maßstab für das Geben jedoch nicht mehr der Zehnte, sondern Jesus selbst. Er hat sich selbst für uns dahingegeben, weshalb er auch unser Vorbild für selbstloses Geben ist.

Aber so wie ihr in allem überreich seid: in Glauben und Wort und Erkenntnis und allem Eifer und der Liebe, die von uns in euch ⟨geweckt⟩ ist, so sollt ihr auch in diesem Gnade⟨nwerk ⟩überströmend sein. Nicht befehlsweise spreche ich, sondern um durch den Eifer anderer auch die Echtheit eurer Liebe zu prüfen. Denn ihr kennt die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, dass er, da er reich war, um euretwillen arm wurde, damit ihr durch seine Armut reich wurdet.

2. Korinther 8,7-9

Das Gesetz Christi ermutigt uns also nicht mehr nur den Zehnten zu geben, sondern in dem Maß zu geben, wie uns Jesus selbst gegeben hat. Es gibt uns also einen weit höheren Standard vor als das mosaische Gesetz. Man kann sagen, das Gesetz Moses kann uns nur als ein Startpunkt dienen, wenn wir das Gesetz Christi erfüllen wollen.

Ist das Gesetz Christi nur Liebe?

An dieser Stelle möchte man fragen, ob die Liebe zu unserem Nächsten das einzige Gebot ist, das uns der Herr aufgetragen hat. Dem ist sicherlich nicht so. Wenn wir ins Neue Testament schauen, stellen wir fest, dass auch die Liebe zu Gott eine zentrale Rolle in Jesu Lehre spielt. In Matthäus 10, wo uns Jesus zum Bekenntnis unter Verfolgung ermutigt sagt er:

Wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich, ist meiner nicht würdig; und wer Sohn oder Tochter mehr liebt als mich, ist meiner nicht würdig

Matthäus 10,37

Auch in Matthäus 22 bestätigt Jesus das Doppelgebot der Liebe zu Gott und dem Nächsten.

Er aber sprach zu ihm: »Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit deinem ganzen Herzen und mit deiner ganzen Seele und mit deinem ganzen Verstand.« Dies ist das große und erste Gebot. Das zweite aber ist ihm gleich: »Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.« An diesen zwei Geboten hängt das ganze Gesetz und die Propheten. 

Matthäus 22,37-40

Was Jesus hier sagt ist, dass wer das Doppelgebot der Liebe hält, auch automatisch das mosaische Gesetz hält. Wer nämlich Gott liebt, wird keine anderen Götter neben ihm dulden. Wer seinen Nächsten liebt, wird ihn nicht bestehlen oder beneiden, sondern dessen Vorteil suchen. Das bestätigt uns auch der Apostel Paulus in Römer 13:

Seid niemand irgendetwas schuldig, als nur einander zu lieben! Denn wer den anderen liebt, hat das Gesetz erfüllt. Denn das: »Du sollst nicht ehebrechen, du sollst nicht töten, du sollst nicht stehlen, du sollst nicht begehren«, und wenn es ein anderes Gebot ⟨gibt⟩, ist in diesem Wort zusammengefasst: »Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.« Die Liebe tut dem Nächsten nichts Böses. Die Erfüllung des Gesetzes ist also die Liebe.

Römer 13,8-10

So ist also das Gebot der Liebe sicherlich das Zentrum des Gesetzes Christi, aber letztlich können wir alles dazurechnen, was uns Jesus und die Apostel aufgetragen haben. Dabei verdeutlichen uns ihre Anweisungen, wie wir konkret das Gebot der Liebe anwenden und ausleben sollen. Außerdem lehrt und unterweist uns Christi Geist wie wir Personen in bestimmten Situationen lieben sollen; insbesondere dort wo wir keine konkreten Anweisungen im Neuen Testament dazu finden.

Denn das ganze Gesetz ist in einem Wort erfüllt, in dem: »Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.« Wenn ihr aber einander beißt und fresst, so seht zu, dass ihr nicht voneinander verzehrt werdet! Ich sage aber: Wandelt im Geist, und ihr werdet die Begierde des Fleisches nicht erfüllen.

Galater 5,14-16

Wir sehen also, das dass der Maßstab für Gläubige, um nach Gottes Willen leben zu können, nicht das mosaische Gesetz, sondern das Gesetz Christi ist. Dieses besteht in erster Linie aus dem Doppelgebot der Liebe. Es enthält damit einen viel höheren Standard als das Gesetz Moses und ist aus diesem Grund auch viel herrlicher als das alttestamentliche Gesetz. Um es halten zu können steht dem Gläubigen Christi Geist zur Verfügung, der ihn anleitet und unterweist. Damit ist das Gesetz Christi nicht länger eine von außen an den Gläubigen herangetragene Forderung, sondern ein innerliches Verlangen, das ihn allmählich in Jesu Ebenbild verwandelt. Es ist also Christus selbst, der den Gläubigen durch sein Gesetz und seinen Geist schrittweise heiligt und dafür sorgt, dass sich sein Lebenswandel seinem Willen entsprechend verändert. Ihm sei die Ehre für diesen Umgestaltungsprozess!

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